Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!
18 sich entfalten darf, ohne jeden Alleinvertretungsanspruch und ohne die Anmaßung, nur die althergebrachten und gesetzlich abgesegneten “Eigenarten” seien existenzberechtigt. “Eigenarten” gibt es viele... Es gibt Menschen in Südtirol, die sich als “Deutsche” oder als “Italie- ner” fühlen; wichtige Teile des “ladinischen Volkes” leben da; man- cher spricht von einer “österreichischen Minderheit auf italienischem Staatsgebiet” (wobei mit Österreich nur die k.u.k. Monarchie vor 1918 gemeint sein kann, obwohl die Republik Österreich ein international anerkanntes Schutzrecht für die Tiroler Minderheit hat); für andere wieder ist der Bezug auf das frühere Gesamttirol (wo’s ja auch Deut- sche, Italiener und Ladiner gab) vorrangig; in manchen Kreisen ist eine “Neu-Südtiroler”-Identität im Entstehen, wozu von vorneherein die Mitanwesenheit mehrerer Volksgruppen gehört; auch zweispra- chige Abkommen verschiedensprachiger Eltern gibt’s, die sich voll und ganz als Südtiroler fühlen, ohne sich deswegen der einen oder anderen Volksgruppe gesondert zuzurechnen; und noch viele andere. Jedenfalls kann man sagen, daß es zwischen (Südtiroler) Him- mel und Erde mehr und kompliziertere Identitäten gibt, als sich in die engen und juristischen Maschen des Autonomiestatuts zwängen lassen, wo fein säuberlich die deutsche, italienische und ladinische Sprachgruppe vorgesehen ist: was zwar historisch stimmt und keine besonderen Probleme mit sich brächte, wenn daraus nicht ganz be- sondere und sehr eindeutige Folgen entstünden. Geschichtlich hat die angestammte deutsche und ladinische Tiro- ler Bevölkerung als nationale Minderheit im italienischen Staat (dem sie unfreiwillig einverleibt wurde) einen jahrzehntelangen Kampf um die Anerkennung ihrer nationalen Rechte geführt, die schließlich im neuen Autonomiestatut, das 1972 in Kraft trat, ihre – derzeit geltende und vorläufig wohl auch wichtigste – Ausgestaltung gefunden haben. Unter anderem wird dadurch, auch auf der Grundlage des Pariser Abkommens von 1946 und nach zwischenstaatlichen Verhandlungen Italiens und Österreichs (von der UNO veranlaßt), die Gebietsauto-
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