Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!

24 derjenigen von 1961 oder 1971 sein: inzwischen hat sich nämlich die Wirklichkeit verändert, und eine ganz andere Rechtslage ist eingetreten. Die Wirklichkeit: es gibt heute viel mehr Menschen als früher, die einfach nicht in einen der drei vorgesehenen “Volksgruppenkäfi- ge” hineinpassen. Die Rechtslage: mit der Volkszählung 1981 wird nicht etwa die Mutter-oder Umgangssprache erhoben, sondern praktisch der “Sta- tus” eines “Angehörigen der deutschen, italienischen oder ladini- schen Sprachgruppe” grundgelegt. Und zwar wird damit sowohl die kollektive Stärke der Volksgruppen festgeschrieben und in Proporz verwandelt (wieviel Tauziehen es da um jeden einzelnen Kopf geben wird, läßt sich vielleicht mit einemWahlkampf vergleichen), als auch die individuelle Zugehörigkeit verbindlich begründet. Irgendwie wird also die Volkszählung 1981 einen Schlußstein auf das Gebäude der Volksgruppenregelung und des Volksgruppen- konfliktes setzen: von dort an wird man von jedem wissen, wohin er gehört, und wie stark die Gruppen sind – für die nächsten zehn Jahre. Darin liegt aber auch etwas Irreversibles: eine Tendenz wird ver- ankert, wonach eben die Logik der Spaltung und der Stärke trium- phiert; wo es von Vorteil ist, möglichst viele Leute auf die eigene Seite zu ziehen, unsaubere und zweideutige Situationen zu entmischen und zu bereinigen, wo man nur das eine und nicht auch das andere sein kann; wo jeder zu seinem Block stehen muß und damit notgedrungen gegen die anderen gestellt und ausgespielt wird. Wo man mehr Kinder kriegen oder mehr Leute assimilieren muß, um “für die Volksgrup- pe” mehr Wohnungen und Stellen herauszuschlagen, statt für mehr Wohnbau und Beschäftigung für alle zu kämpfen. Immer mehr droht die ethnische Problematik zumMittelpunkt jeder Auseinandersetzung und jeder Dynamik in Südtirol zu werden, und alles andere geht dabei irgendwie unter. “Was bist Du?” wird nicht mehr mit “ein Mensch, ein Arbeiter, ein Christ, ein Künstler, ein Liebender, ein Suchender, ein Jugend- licher, ein Konservativer, ein Unangepaßter, ein Ausnützer ...” beant- wortet werden, sondern mit “Deutscher, Italiener, Ladiner”.

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