Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!

38 so einsichtig ist; es ist also kein Zufall, dass man auch die Tendenz zur Zweisprachigkeit verhindern möchte, weil dadurch eine rigorose völkische Entflechtung oder Entmischung schwieriger und unglaub- würdiger wird. Umgekehrt ist es aber so, das ein System der klaren und eindeutigen Identifikation und Trennung der ganzen südtiroler Gesellschaft den gefährlichen Stempel des Ethnozentrismus aufprägt: das ethnische Element dominiert alles andere. In erster Linie “deutsche” “italiener” und “ladiner” zu sein – und erst nachher und sogar untergeordnet Männer, Frauen, Arbeiter, Christen, Pendler, Mieter, Jugendliche oder was man sonst alles sein kann – das ist in Südtirol praktisch gesetz. Eine Tendenz zur “Apartheid” und zu Regelungen, die eher auf Zypern oder im Libanon zuhause sein müssten, wohnt einem solchen System notwendig inne – mit allen Konflikten, die sich daraus er- geben können. Aber jenseits (oder diesseits) so allgemeiner Folgen ergeben sich auch zahlreiche Konflikte und Einzelsituationen für bestimmte “Min- derheiten”, die es hier zu untersuchen gilt: 1. die Minderjährigen Wenn die Eltern oder Erziehungsberechtigten für einen Minderjähri- gen die Zugehörigkeitserklärung abgeben und damit die Folgen dieser ethnischen Identifizierung auch für Minderjährige wirksam werden (allen voran die ausschließliche Möglichkeit zum Kindergarten- und Schulbesuch in der einen oder anderen Sprachgruppe, wie derzeit beabsichtigt!), kann man natürlich nur mehr sehr beschränkt von (späterer) freier Entscheidung sprechen. Denn in der Tat würde jedes Kind von seiner Geburt (oder zumindest von der ersten Zählung) an, einer der drei Sprachgruppen – mit allen praktischen und rechtlichen Folgen zugewiesen; man würde auf diesemWeg versuchen, jeden zur Entfaltung einer – und einer einzigen! – ethnischen Identität zu zwin- gen, die für ihn zwischen den drei vorgegebenen ausgesucht wurde. Die Minderjährigen nicht erklären zu müssen würde ihnen hin- gegen später – wenn schon! – eine freiere Wahl lassen und nicht den

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