Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!
41 Achtung Volkzählung! Vorauszusehen ist jedenfalls, daß die unbestreitbare Existenz und Identität des ladinischen Volkes einer echten Bedrohung entgegengeht – denn sobald diese Identität in amtliche und rigide Bahnen gelenkt werden soll, dürfte der Assimilierungsdruck viel schwieriger aufzu- halten sein: die Ladiner sind nämlich als Volksgruppe einfach zu klein, um ebenfalls ihre (genügend lebensfähige) “Separatgesellschaft” auf- bauen zu können, wie das im “Paketsystem” notwendig wäre. Man kann nicht einmal ausschließen, daß sich eines Tages gera- de durch Volkszählung und Zugehörigkeitserklärung – mit all ihren Folgen – herausstellt, daß bestimmte “ladinische Ortschaften” mehr- heitlich gar nicht mehr von “erklärten Ladinern” bewohnt werden (ob dann die Sonderregelung für die “ladinische” paritätische Schule noch aufrechtzuerhalten wäre?). Immerhin ist zur Ladinerfrage zu bemerken, daß die vorherr- schenden politischen Kräfte (SVP und DC) bereits daran arbeiten, die Konsequenzen des von ihnen erfundenen Systems für die Ladiner ein bißchen zu lindern und etwas elastischer zu gestalten; vor allem scheint sich eine “Dispens” für die besonders unhaltbare Lage der ladinischen Lehrkräfte abzuzeichnen. Aber wenn es möglich und richtig erscheint, die Ladiner von den absurden und rigiden Konsequenzen eines Systems zu “dispensieren”, wo alles von der eindeutigen Identifikation mit einer Volksgruppe ab- hängt und der Lebensweg eines jeden eigentlich nur innerhalb der eigenen Volksgruppe zu verlaufen hätte, stellt sich die Frage, warum nicht auch anderen gegenüber eine größere Flexibilität möglich wer- den sollte. 3. die “Mischlinge” Ein ethnozentrisches System wie in Südtirol kann natürlich alle na- türlichen Mischungsprozesse, jede “Unreinheit”, jede Mehrdeutig- keit und -Wertigkeit nur mit Verdacht und Mißbehagen zur Kenntnis nehmen – Viele würden solche “Mischungen” am liebsten überhaupt und strikt verbieten – wenn sie laut sagen könnten, was sie denken:
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