Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!
42 vorläufig können “Mischehen” und “gemischte” Freundschaften und Beziehungen nur unter moralische Strafe (manchmal auch Ächtung) gestellt werden. Und dennoch gibt es Tausende von solchen “Mischlingen”, ob’s paßt oder nicht. Viele von diesen “Mischlingen” sind auch zwei- sprachig und wollen ihre Beziehungen und Wurzeln in beiden “Her- kunftsgruppen” bewahren – was übrigens in Tirol jahrhundertelang ohne besonderes Ärgernis durchaus möglich und üblich war. Nicht selten üben außerdem solche zweisprachige Südtiroler eine wichtige Vermittlungsfunktion aus und tragen zum gegenseitigen Kontakt und Verständnis sowie zu kultureller Erneuerung bei. Mit der nächsten Volkszählung würden solche Menschen ge- zwungen, sich den einen oder anderen zu assimilieren – wobei häufig ihre tatsächliche Identität in unannehmbarer Weise erdrückt und ge- schädigt würde, die schließlich – laut Art. 2 des Autonomiestatuts, wo vom Schutz der sprachlichen und kulturellen Identität die Rede ist – ebenfalls schutzwürdig sein muß, ebenso wie die eindeutig “deut- sche”, “italienische” oder “ladinische” Identität. Aufgrund der herrschenden Gesetze müßten diese “Mischlinge” (die in einer Zwangslage wohl mehrheitlich eher zur stärkeren – also deutschen – Gruppe tendieren würden) den Preis dieser Zwangsassi- milierung bezahlen, um nicht sozusagen “staatenlos” zu werden: um nicht zu rechtlosen Südtiroler Parias degradiert zu werden. Denn um in die Norm des “Pakets” zu passen, muß man in eine der drei vor- gesehenen Volksgruppen hineinpassen – außer ihnen gibt’s kein Heil. Die Volkszählung und die Zugehörigkeitserklärung zu einer der drei Gruppen ist für diese “Mischlinge” also eine besonders schmerz- hafte Option. Sie müßten sich entscheiden, “zu wem sie halten sol- len”, “zu wem sie gehören wollen” (ausschließlich, versteht sich!), auf welcher Seite sie sich assimilieren müssen: eine Spaltung, die bis in viele Familien hineinwirken wird und Brüder von Brüdern und selbst Ehepartner untereinander trennt. Was die Kinder anlangt, denkt man bereits an “salomonische” Lösungen, indem man die Aufteilung dem Richter anvertraut...
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