Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!

43 Achtung Volkzählung! Dabei ist hervorzuheben, daß es nicht nur um – vielleicht zu Tausenden – “Einzelfälle” und individuelle Schicksale geht, sondern auch um gewachsene Gemeinschaftssituationen; man denke nur an so manches Gebiet im Südtiroler Unterland oder an gewisse Stadtviertel, wo – manchmal bereits seit Jahrzehnten – jede klare Grenzlinie zwi- schen den Volksgruppen unmöglich und höchstens künstlich zu ziehen ist – und wo vielfach die ethnische Identität nur in Momenten politi- scher oder sonstiger Opportunität hervorgekehrt wird, und gar keinen realen sprachlichen oder kulturellen (eindeutigen!) Hintergrund hat. Auch in solchen Situationen zeigt sich der besonders gefährliche Op- tionscharakter dieser Volkszählung, durch die man endlich derartige fließende Situationen entmischen und bereinigen möchte. 4. die “Anderssprachigen” In Südtirol gibt es auch einige Hundert Staatsbürger ausländischer Herkunft oder die aus anderen nationalen Minderheiten (die historisch nicht in Südtirol angesiedelt sind) stammen: z.B. Engländer, Fran- zosen, Flamen, Slawen, usw., beziehungsweise Slowenen, Zigeuner, Ladiner aus Friaul, französischsprechende Aostaner, usw. Wer von ihnen Bürgerrechte in Südtirol in Anspruch nehmen möchte (Sozialwohnung, öffentliche Stelle, passives Wahlrecht, usw.), muß sich zwangsweise in eine der drei zugelassenen Volks- gruppen “einschreiben lassen” – womit natürlich ebenfalls die eigene Identität verleugnet würde. 5. Und was ist mit denjenigen, die sich nicht klassifizieren lassen wollen? Schließlich ist es immerhin denkbar, daß es in Südtirol Menschen gibt, die einfach keiner der drei völkischen Korporationen unter Ausschluß der anderen angehören wollen: sei es, weil sie “ungeteilte Südtiroler” zu sein wünschen und sich als “reichsunmittelbare” Vollbewohner eines mehrsprachigen Landes und nicht in erster Linie als Angehörige ihrer Volksgruppe fühlen, sei es vielleicht aus Kosmopolitismus ver- schiedenster Prägung.