Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!

45 Achtung Volkzählung! Wir haben auf der Liste der „Neuen Linken” kandidiert, weil wir dazu beitragen wollen, das verhärtete Verhältnis und das „Gegenei- nander” der Volksgruppen in Südtirol aufzubrechen. Als Angehörige beider (oder keiner einzelnen) Volks- und Sprachgruppe erleben wir diese Spannung, wie Tausende von anderen Bewohnern dieses Landes in unserem täglichen Leben. Die bisherige Gestaltung und Anwendung der Landesautonomie vonseiten der Svp, Dc und der anderen minder beteiligten Kräfte in Bozen, Trient und Rom ist wesentlich darauf angelegt, die hier leben- den ,,anerkannten” drei Volksgruppen (Deutsche, Italiener, Ladiner) festzulegen, abzugrenzen, zu trennen und irgendwie einzubalsamieren – und ständig gegeneinander auszuspielen. Proporzwirtschaft, eine – vor allem als bürokratisches Diskriminierungsinstrument gehandhab- te „Doppelsprachigkeit”, revanchistische und nationalistische (auch defensivnationalistische) Tendenzen sind einige Symptome dafür. Wir wollten durch unsere Kandidatur in der „Neuen Linken” einen Beitrag zum Kampf gegen diese Situation leisten, die wir sogar als Spaltung unserer eigenen Persönlichkeit und Identität empfinden. Nun sagt man uns aber, daß wir nicht kandidieren dürfen. Drei von uns haben unterschrieben, daß sie „ihre Zugehörigkeit zur deut- schen oder italienischen Sprachgruppe nicht erklären können, weil eine solche Erklärung eine grobe und völlig künstliche bürokratische Zwangseinteilung ihrer Persönlichkeit darstellen würde”. Einer hat sich als sowohl der deutschen als der italienischen Sprachgruppe zu- gehörig erklärt. Wir sind und fühlen uns so und könnten uns nicht anders entscheiden: so wurden wir aber von Amts wegen unserer Wählbarkeit in den Landtag beraubt. Wir empfinden es als schwer ungerecht, daß der „Proporz” – wenn überhaupt! – an die Anzahl der „deutschen”, „italienischen” und „ladinischen” Landtagssitze gekettet ist, weil dadurch die Wäh- ler praktisch erpreßt werden, möglichst für „einsprachige” Listen und Parteien zu wählen, um nicht Gefahr zu laufen, im Volksgruppen- proporz womöglich benachteiligt zu werden, wenn auf ihrer Liste ein Kandidat der anderen Sprachgruppe gewählt wird.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTExMDY2NQ==