Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!

46 Aber existieren wir vielleicht nicht, weil uns die rechtliche und bürokratische Anerkennung unserer Situation verweigert wird? Müssen wir weiterhin – zur Ausübung politischer Bürgerrechte, um Arbeitsplätze oder Wohnungen zu erhalten, usw. – uns zwangs- weise assimilieren und einer Sprachgruppe eingliedern? Sollen wir gezwungen sein (auch im Namen unserer Kinder!), bei zahlreichen Anlässen und im besonderen bei der kommenden Volkszählung 1981, einen Teil unserer Persönlichkeit, Kultur und Menschlichkeit zu ver- leugnen? Sollen wir es hinnehmen, daß unsere Kinder niemals eine ihnen tatsächlich entsprechende Schule finden werden und zwangs- eingereiht werden? Sollen wir vielleicht das ganze Leben lang oppor- tunistisch lügen und einem künstlichen Identitätszwang unterliegen, weil man in Südtirol derzeit nur entweder als „Deutscher„ oder als „Italiener” oder als „Ladiner” (streng von- und gegeneinander ab- gegrenzt) existieren und seine Rechte wahrnehmen kann? Wollen wir vielleicht Gefahr laufen, daß „Ahnenpässe” unseligen Andenkens wieder eingeführt werden (schon jetzt tauchen im Schulwesen da und dort Bestimmungen auf, die auf Zwangsfeststellung der sprachlichen Zugehörigkeit hinauslaufen)? Muß man vielleicht befürchten, daß „Mischehen” oder „Rassenschande” gesetzlich geahndet werden? Ist es annehmbar, daß in einem Gemeinwesen, das sich als demo- kratisch verstehen will, und in einer Autonomieordnung, die mehr Freiheit und Selbstbestimmung gewähren sollte, Rechte und Pflichten von der volklichen oder sprachlichen Zugehörigkeit (nicht z.B. von der Sprachkenntnis oder -Verwendung) abhängig gemacht werden, daß diese Zugehörigkeit heute erklärungspflichtig ist und morgen vielleicht sogar von Amts wegen festgestellt wird? Ist es annehmbar, daß Tausende von Menschen überhaupt „nicht vorgesehen” sind und von bestimmten Rechten ausgeschlossen werden, wenn sie ihre Eigen- art wollen? Ist es hinzunehmen, daß die Zugehörigkeitserklärung zu einer Gruppe die andere ausschließt? Besondere Schutzbestimmungen und eine sehr weitgehende Au- tonomie (die auch auf Völkerrecht zum Schutz der deutschsprachigen Südtiroler fußt) halten wir in Südtirol für durchaus notwendig, und

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