Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!

47 Achtung Volkzählung! dafür wollen wir uns auch weiterhin einsetzen. Was wir aber nicht hinnehmen können, ist die starre und bürokratische Festsetzung, daß es hier drei streng von- und gegeneinander getrennte Volksgruppen gibt; daß die Machthaber durch „Paket” und „Proporz” diese Volks- gruppen immer mehr gegeneinander ausspielen, und daß im Namen des Schutzes und der Erhaltung der Eigenständigkeit der Volksgrup- pen einer Entwicklung das Wort geredet wird, in der jede Volksgruppe als unveränderliche, bloß zu konservierende Gegebenheit betrachtet wird und man einer tatsächlich mehrsprachigen Südtiroler Gesell- schaft mit allen Mitteln entgegenarbeitet. Wer in Südtirol lebt, muß die Möglichkeit haben, als Deutscher, Italiener, Ladiner oder wie immer sonst sprachlich und kulturell de- finierter Mensch eine Beziehung zu diesem Land, seiner Geschichte, seiner Tradition, seinen Besonderheiten, seiner sozialen und sprach- lichen Struktur und zu allen hier lebenden Menschen und Gruppen zu erwerben. Vielleicht empfinden wir aufgrund unserer persönlichen Situa- tion das Anliegen als besonders dringlich, hier an einer Kultur und einem Selbstbewußtsein zu arbeiten, das allen Menschen in unserem Land nicht nur das Verständnis ihres – etwa „deutschen” oder „ita- lienischen” – Kulturkreises ermöglicht, sondern uns alle befähigt, hier – wo es nun einmal mehrere Gruppen gibt – kritisch und bewußt miteinander zu leben. Wir haben das Glück, zwei Sprachen und Kul- turen unser eigen zu nennen und empfinden das als Bereicherung. Aber wir glauben, daß heute viele Menschen in Südtirol (auch „eindeutig” deutsch-, italienisch- oder ladinischsprachige) sich hier voll und ganz zuhause fühlen wollen und somit Interesse an der Ausgestaltung einer freien und mehrsprachigen Gesellschaft ohne Assimilierungszwang haben und nicht bloß mit Blick auf Wirtschaft und Arbeitsplatz. (Und es ist jedem klar, wie groß dabei die Rolle der Schule ist und wie unzureichend die gegenwärtige Situation da aussieht). Menschen wie wir könnten in vieler Hinsicht eine besondere „Brückenfunktion” ausüben, wenn man uns nicht zwingen wollte, uns

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