Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!
57 Achtung Volkzählung! eine „nicht vorgesehene” Hautfarbe aufweist –, kommt eben zu kurz und wird als Störer entfernt oder zur Anpassung gezwungen. (Es gibt sogar „großzügige” Rassisten, die bereit wären, die Einführung eines neuen Homelands für Mischlinge zu diskutieren...: Stichwort „vierte Sprachgruppe”.) Je kleiner als Bantustan, desto geringer die Aus- sichten, ist ja klar. Wer als Ladiner den Kopf allzuweit über Pontives oder Zwischenwasser hinausstreckt, wird wenig Aussicht auf Sozial- wohnung, Anstellung bei der öffentlichen Verwaltung usw. haben – dafür ist der Ladiner in Ladinien König, wie der Baluba in seinem Bantustan. So sehr König, daß sogar Fremde, die etwa als Lehrer in die Täler kommen, die Kriegsfarben und Totems der Eingeborenen übernehmen müssen, um überhaupt unterrichten in können. Dabei sind die Ladiner – vielleicht, ohne auch hier unerlaubt verallgemeinern zu wollen – viel toleranter und pluralistischer und weniger ethnozentrisch eingestellt als die meisten deutsch- und viele italienischsprachige Südtiroler. Schon deshalb, weil sie es seit Jahr- hunderten gelernt haben, mit „anderen” zu tun zu haben, deren Spra- che ZU lernen (und neuerdings auch in der Schule mehrere Sprachen zu verwenden), mit ihnen Handel und Liebe in treiben – und trotzdem als Ladiner nach Jahrhunderten noch vorhanden zu sein. Oder weil ihnen (bisher) eine „LVP” (ladinische Volkspartei), also eine völki- sche und korporative Sammelpartei der Ladiner als solcher erspart blieb, und sie mit weniger volkstumspolitischem Wahn und weniger Kontaktangst leben. Aber wartet nur, liebe Ladiner. Auch auf euch kommt sie zu –- die „Endlösung” der Großen Volks(gruppen)zählung 1981, diese neue Option für die Südtiroler, bei der sich jedermann rechtskräftig und für die Dauer von mindestens zehn Jahren entscheiden wird müs- sen, ob er sich die „deutsche”, „italienische” oder „ladinische” Volks- gruppenbürgerschaft zulegen will. Die Konsequenzen hat dann jeder selber zu tragen. Verweigerung ist nicht gestattet. Der Schein wird zwar (nach bisher bekannten Vorstellungen) noch auf Papier ausge- stellt und nicht in Form eines passenden (sternförmigen?) Abzeichens angeheftet, aber die Auswirkungen werden massiv sein. Staatenlose
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