Achtung Volkszählung! Attenzione al censimento!
77 Achtung Volkzählung! Teitsch oder walsch – that ist the question. Für die meisten Menschen in Südtirol wird tatsächlich diese Frage im Mittelpunkt der Großen Volkszählung im Herbst 1981 stehen. Junge SVPIer, schlaksige Bü- rokraten, ein paar aus Not angeheuerte Langhaarige und die spär- lichen Parteijünglinge, die da oder dort aufzutreiben sein werden, gehen von Haus zu Haus, verteilen die Bögen, beraten, belehren. “Was, Sie haben Zweifel? Ist doch klar, daß Sie und Ihre Kinder zu uns gehören – also deutsch; schließlich sind Sie Besitzer eines Stadthauses, da macht’s nicht soviel aus, daß Ihre Mutter Italienerin war...” “Come, e Lei vorrebbe spacciarsi per tedesco? Mica basta una moglie tedesca per far parte del nostro gruppo etnico, si vergogni del Suo opportunismo”! Und so weiter. Die SVP möchte auch die Kinder in eine Volks- gruppe – möglichst in die richtige, die ja sowieso Nachwuchssorgen hat! – einweisen, und sucht nach Möglichkeiten, mit dem neuen Elternrecht fertigzuwerden, das beide Eltern gleichermaßen berück- sichtigt: wer soll also im Zweifelsfalle entscheiden? Vielleicht, wie weiland Salomon, der Richter? Teitsch oder walsch, hie teitsch, hie walsch. Die paar obstinaten Ladiner, die sich trotz der zu erwartenden Nachteile und der Gefahr, im Reservat zu enden, als solche erklären werden, sind zwar lästig, weil sie die säuberliche Einteilung in hell und dunkel, gut und böse, gesund und krank irgendwie stören, werden aber schn nicht die Welt durcheinanderbringen – und, wenn schon, kann man immer noch ihre SVP-Treue durch Ausnahmebestimmungen honorieren. Schlimm sind die Gemischten und die unklassifizierbaren Ty- pen. Was hat schon ein Slowene in Südtirol zu suchen? Und wer als Bastard einer “Mischehe” (oder gar nicht-legalisierter Rassen- schande) entspringt, ist im Grunde selber schuld. Gegen Mischkultur und Mischliebe wurde ja nicht von ungefähr ständig der drohende Zeigefinger erhoben. Wer sich nicht entscheiden will, wo er hin- gehört (die ordentlichen Mischlinge gehören zu den Deutschen, die unordentlichen zu den Walschen), soll halt aus unserem Land ver- schwinden – wir können nicht wegen dieser paar zwielichtigen Ge-
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