Die Politik der richtigen Dinge: Alexander Langer oggi
zweiter Nährboden. In der Familie Langer hatte es eine ausgeprägte Öffnung hin zur Religiosität der Väter, zum Judentum gegeben. Der Vater von Alex war Jude, er war während des ersten Weltkrieges in das österreichische Bozen umgesiedelt und arbeitete seit 1934 als Arzt im Krankenhaus von Sterzing. Die Mutter, Elisabeth Kofler, aus einer katholischen Familie stammend, war Apothekerin und die erste Frau in Italien mit einem Studienabschluss in Chemie. Ihre Kinder erzie- hen sie im Geist religiöser und gesellschaftlicher Toleranz, ‘ethnische’ Spannungen sind in der Familie nicht spürbar. Alex besucht den italie- nischen Kindergarten und geht danach in die deutsche Grundschule. In der Mittelstufe des angesehenen Franziskaner-Gymnasiums in Bo- zen werden ihm die grundlegenden Werte der Religion zur persön- lichen Erfahrung. Alex ist tief beeindruckt vom Modell des mönchi- schen Lebens. Mit fünfzehn Jahren gibt er eine Zeitschrift heraus, Of- fenes Wort , die er selbst vervielfältigt. Bereits die ersten Beiträge und Themen zeugen von großer Bewußtheit. So schreibt es beispielsweise in Das revolutionäre Christentum : „Revolutionär ist das Christentum auch wegen der Bedeutung, die es den Armen, den Schwachen, den Unterdrückten beimisst: Christus heiligt ihr Leben dadurch, dass er ihr Dasein teilen will“. Die auf maximale Gleichheit ausgerichtete franziskanische Regel, das Verständnis vom Leben als Etwas, auf das es keinen Besitzanspruch gibt, das nur in der Gemeinschaft Erfüllung findet, dieser Höchsten Armu t 4 (wie Giorgio Agamben sagen würde), diesen Werten versucht Alex sein ganzes Leben lang treu zu bleiben. Unmittelbar nach dem Abitur teilt Alex seiner Familie mit, dass er be- schlossen habe, Ordensbruder zu werden. Zum ersten Mal widersetzt sich der Vater seinem Sohn und verlangt von ihm, mit dieser Entschei- dung bis zu seiner Volljährigkeit zu warten. Daraufhin zieht Alex 1963 nach Florenz und schreibt sich in die Rechtswissenschaftliche Fakultät ein. Florenz ist zur damaligen Zeit ein besonders interessantes Versuchs- 4 Vgl. G. Agamben, Altissima Povertà. Regole monastiche e forma di vita , Neri Pozza, Vicenza, 2011.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTExMDY2NQ==