Die Politik der richtigen Dinge: Alexander Langer oggi
19 Es gibt drei Mechanismen von Macht 14 . Der erste ist die sogenannte Power over , die von oben in Form von Zwang ausgeübte Macht. Da- rin offenbart sich ein cratologischer Aspekt, den Platon nicht in Er- wägung gezogen hat, wohingegen er von unseren Politikern reichlich genutzt wird: die Macht erhalten, sie ausüben und das politische Han- deln am Erhalt des Konsenses orientieren. Mehr als auf die Inhalte selbst kommt es darauf an, wie sie von den Bürgern aufgenommen werden: unpopuläre Entscheidungen werden vermieden, selbst wenn sie richtig wären, um den Konsens und die Mechanismen der Wieder- wahl nicht zu gefährden. Es ist eine Macht, die sichtbar sein kann, was sie weniger gefährlich macht, am Schnittpunkt von Realismus und Ge- ringschätzung von Utopie. Eine realistische, anti-utopische Macht, die sich als Gegengift zu den vermeintlich anarchischen Tendenzen einer Gesellschaft darstellt. Geschichtlich betrachtet ist sie eine Form von Macht, die auf vermeintlichen Macchiavellischen Tugenden und auf Missachtung moralischer Prinzipien beruht, die den Forderungen der sozial schwachen Bevölkerungsgruppen und Minderheiten zugrunde liegen, vor allem derjenigen, die kein Wahlrecht haben. Die Power over kann aber auch versteckt sein, unsichtbar und manch- mal sogar unbewusst, wie sie Franz Kafka in den Romanen Das Schloss und Der Prozess meisterlich beschrieben hat. Die politische Macht als Wert an sich ist auch in den kirchlichen In- stitutionen anzutreffen. In dem 1969 in Tübingen gehaltenen Vortrag Contro la falsa democratizzazione della chiesa (Gegen die falsche Demokratisierung der Kirche) 15 kritisiert Alex die ständigen Kompro- misse der Kirche mit der politischen, ökonomischen und militärischen Macht aufs schärfste. Ihr eigentlicher Auftrag, „Unruhe und Spannug“ zu erzeugen gegenüber der Logik der Welt, habe dabei das Nachsehen. Die auf falsche Weise demokratische, den Armen entfremdete Kirche, 14 Vgl. Macht und Wandel in der Umweltpolitik , hrsg. L.Partzsch und S. Weiland, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft , Sonderband 2015, Baden-Baden, 2015. 15 Vortrag, gehalten im Mai 1969 im Rahmen eines von der Paulus-Gesellschaft organisierten inter- nationalen Treffens, veröffentlicht in Testimonianze Nr. 119, nov. 1969 und in Auszügen in A. Langer, Il viaggiatore , zit. S. 59-66.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTExMDY2NQ==