Die Politik der richtigen Dinge: Alexander Langer oggi
25 zumindest die Vorbedingungen für ein neues Gesellschaftsmodell kommunistister Prägung zu schaffen. Angelpunkt dieses Modells ist die Kategorie des Bedürfnisses und das ist der vielleicht schwächste Punkt; denn aus Bedürfnis erwächst nicht automatisch Bewusstsein, wie Adorno gezeigt hat. Selbst als er sich dieser sozialistischen Uto- pie genähert hat, hat Alex nie darauf verzichtet, sie auf unorthodoxe Weise zu interpretieren. (Auch Lotta continua 23 war im Grunde ein politisches Experiment, offen für die Anliegen der Jugend, in Alter- native zu jeder ideologischen Enge). Das kollektive Bewusstsein kann das individuelle nicht ersetzen. Allein die Idee, dass das proletarische Bewusstsein demjenigen der Bergbauern überlegen sein sollte, war für ihn so wenig tragbar wie der alles in allem gewaltsame Charakter einer revolutionären, auf dem Klassenkampf beruhenden Theorie wie der marxistisch-leninistischen 24 . Der Gedanke, das Bewusstsein entstehe allein aus Bedürfnis und re- volutionärer Praxis, wobei die anthropologische Komponente, die persönlichen Überzeugungen übersprungen wurden, lief der Sensibi- lität von Alex absolut zuwider. 1990 spricht er beim Zweiten latein-amerikanischen Treffen von Kul- tur, Ethik und Religion angesichts der ökologischen Herausforderun- gen . Sein Beitrag trägt den Titel Die Sorge für die Natur, woher sie kommt und wohin sie führen kann . Er endet mit den Worten: „Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit, das aus dem ökologischen Bewusstsein erwächst, ist vielleicht tiefer und radikaler im Vergleich zum Marxis- mus oder anderen wirtschaftsorientierten oder die Umverteilung des Fortschritts betreffenden Doktrinen; ganz gewiss solidarischer und 23 Lotta continua war eine der größten politischen Gruppierungen der extraparlamentarischen Linken Italiens. Aktiv zwischen Ende der sechziger und der ersten Hälfte der siebziger Jahre unterschied sich Lotta continua durch ihr spontaneistisches Bewegungsverständnis und ihre Heterodoxie im Vergleich zum dogmatischen Kommunismus. 24 Es sei an die Worte von Marx erinnert: „Die Kommunisten verhehlen ihre Meinungen und Ab- sichten nicht. Sie erklären frei heraus, dass ihre Ziele nur durch einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Sozialordnung zu erreichen sind. Die herrschenden Klassen sollen zittern vor einer kom- munistischen Revolution. Die Proletarier haben dabei nichts zu verlieren außer ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen“. Ivi.
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