Die Politik der richtigen Dinge: Alexander Langer oggi

28 „Das Herzstück der Überquerung, die vor uns liegt, ist wahrscheinlich der Übergang von einer Gesellschaft des „noch mehr“ zu einer des „das ist genug“ oder des „vielleicht schon zuviel“. Nach Jahrhunderten des Fortschritts, in denen weitermachen und Wachstum die Quintessenz der Geschichte und der Hoffnungen war, mag der Gedanke „zurückzu- gehen“, d.h. die Laufrichtung zu ändern, zumindest aber das citius, al- tius, fortius 29 zu beenden, wie ein Schlag in die Magengrube anmuten. Bereits der Begriff Umkehr , den Alex dem der Revolution 30 vorzieht, verlangt von jedem Einzelnen die Bereitschaft, sogenannte normale Lebensmodelle hinter sich zu lassen, eine neue Identität anzunehmen, geistig ein zweites Mal auf die Welt zu kommen – wie Hegel sagen würde – und neuen Idealen zu folgen. Die ökologische Umkehr er- fordert eine entschiedene Veränderung des Lebens, die Übernahme ei- ner neuen Hierarchie von Werten, allen voran den der Frugalität . Auf den biblischen Jonas Bezug nehmend, den „Propheten wider Willen“, der den Bürgern von Ninive Unheil vorhersagen muss, es sei denn, sie kehrten radikal um und begännen zu fasten (verstanden als Form der Selbstbeschränkung) stellt Alex die rhetorische Frage: „Wieviele Tschernobyl, wieviele Brände von Ölquellen im Golf, wieviele Kriege und Attentate, wieviel Abholzung, wieviele Studien und Katastrophen- szenarien brauchen wir noch, um unser Mass zu finden und zu fas- ten?“ 31 . Die ökologische Umkehr muss allerdings geschehen in Einklang mit dem, was unter dem Begriff Schrumpfung (decrescita) 32 zusammen- gefasst wird. Bereits 1992 spricht Alex in dem Beitrag Die Intuition der Austerity ausdrücklich darüber, es geht um Themen, die alle seine Schriften durchziehen: die Ungerechtigkeit der Welt, die von wenigen reichen Ländern kontrollierten Reichtümer und Ressourcen, das blinde Festhalten an unserem Lebensstil können nicht weiter hingenommen 29 A. Langer, Il viaggiatore , zit. S. 407-408. Es ist der sehr schöne Text Caro San Cristoforo . 30 Siehe M. Marzorati und M.Valpiana in der Einleitung zu Alexander Langer, Una buona politica per riparare il mondo , zit. S. 27: Langer zog das Wort Umkehr dem Wort Revolution vor, wir heute bevorzugen Wiedergutmachung statt Veränderung“. 31 A. Langer, Il viaggiatore , zit. S. 399. 32 Vgl. S. Latouche, Come si esce dalla società dei consumi , Bollati Boringhieri, Torino, 2011.

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